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Des Geldes wegen, aber nicht gern

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ExjournalistInnen, die PR-Arbeiten machen, tun das nicht ohne Unbehagen, ergibt eine Befragung

für taz

Glücklich kann sich schätzen, wer für die Kanzlerin oder den Bundespräsidenten spricht. Als sich Steffen Seibert vor bald sieben Jahren aufmachte, um als Regierungssprecher keine Fragen mehr zu stellen, sondern sie früheren Kollegen zu beantworten, war Existenznot jedenfalls kein Treiber. Das ZDF hat seinem untreuen Moderator ein Rückkehrrecht zugesichert – wenn auch nicht als Journalist.

Auch wenn ARD-Radiojournalistin Anna Engelke bald für Frank-Walter Steinmeier sprechen wird, wechselt sie mit sicherem Gefühl: Der NDR hat sie beurlaubt. Sogar Seiberts Stellvertreterin Ulrike Demmer weiß: Im Zweifel kann sie zurück zum Madsack-Verlag.

Viele andere SeitenwechslerInnen treibt hingegen die Sehnsucht nach einem vernünftigen Auskommen und einem sicheren Arbeitsplatz auf die andere Seite des Schreibtisches. Dieses Bild malt eine qualitative Befragung von gelernten JournalistInnen, die nun in PR machen. Kommunikationswissenschaftler Thomas Koch hat dafür erst im Dezember gemeinsam mit seinen StudentInnen der Mainzer Universität etwa 20 ausführliche Interviews mit SeitenwechslerInnen geführt – bei Unternehmen, in Vereinen, Verbänden und Behörden, klein wie groß.

Während die eigentliche Studienarbeit noch entsteht, wurden erste Ergebnisse bereits im Lehrbetrieb vorgestellt. Sie geben ein frisches Stimmungsbild ab. Die drei häufigsten Treiber raus aus dem Journalismus, die „Push-Faktoren“: Job­unsicherheit, schlechte Vereinbarkeit von Familie und Beruf, schlechte Arbeitsbedingungen. Gleichzeitig zog JournalistInnen als „Pull-Faktor“ am häufigsten in die PR, dass sich die Berufsfelder ähneln. Mit anderen Worten: Der Wechsel scheint verlockend, weil der Werkzeugkasten nahezu identisch gefüllt ist und „drüben“ mehr Geld und ein guter Vertrag winken.

„Wirklich erstaunt hat uns, wie viele Wechsler weiterhin die journalistische Attitüde beibehalten haben“, bilanziert Koch, der sich auf Unternehmenskommunikation spezialisiert hat. „Diese Gruppe ist insbesondere deshalb in die PR gewechselt, weil sie das Geld und die Sicherheit interessiert haben, und nicht etwa, weil sie der Job an sich besonders gereizt hat.“ Es geht also nicht zuletzt um Notlösungen statt Überzeugung.

Koch hat den TeilnehmerInnen der Studie Anonymität zugesichert und glaubt deshalb an Ehrlichkeit. In den Protokollen finden sich zum Wechsel Sätze wie „Weil ich mit 30 einfach nicht mehr von der Hand in den Mund leben wollte“ und „Wenn man nach acht Jahren immer noch quasi keinen Festvertrag kriegt, ist das natürlich auch irgendwann Grund zu sagen, ich schaue mich nach etwas anderem um“.

Gleichzeitig berichten TeilnehmerInnen, wie sie ihre neue Rolle mitunter verachten. „PR besteht zu einem nicht unerheblichen Teil darin, schöne Worte zu finden, aber nichts zu sagen“, heißt es etwa. Zur Recherche in der eigenen Institution gibt wiederum jemand zu Protokoll: „Ich muss mich halt selber ab und zu daran erinnern, jetzt vielleicht nicht zu kritisch nachzufragen.“ Jemand anders: „Es gab da eine Situation, wo ich gedacht habe: Hier kann ich eben nicht wahrhaftig informieren, sondern muss Sachen für mich behalten, weil ich eben die Interessen des Vereins vertreten muss.“

Den Kommunikationswissenschaftler Koch ärgert angesichts solcher Berichte, dass ausgerechnet der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) in PressesprecherInnen offiziell JournalistInnen sieht und sie mit Presseausweisen bestückt. „PR-Akteure sind definitiv keine Journalisten“, mahnt er. Die Idee des Journalismus sei Unabhängigkeit, PR Auftragskommunikation. Ob sich der DJV von SprecherInnen verabschieden sollte? „Der DJV sollte zumindest so ehrlich sein und sagen: Diese Mitglieder des Journalisten-Verbands sind keine Journalisten.“

>> zur Originalveröffentlichung auf taz.de


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